Redebeitrag der FAU am 08.März bei der Kundgebung des AFLRs

Hallo zusammen,
bevor wir anfangen, möchten wir transparent machen, dass unsere eigene Organisation stark von sexistischen Strukturen durchzogen ist, obwohl wir uns dagegen positionieren wollen. Die FAU – bundesweit, aber auch unser lokales Syndikat – ist von weißen Cis Männern dominiert. Dies zeigt sich nicht nur im bestimmten Redeverhalten bei manchen Diskussionen, sondern auch ganz grundlegend in der Auswahl der Themen die wir überhaupt diskutieren und zu denen wir arbeiten. Zum beispiel wurden die Vorbereitungen zum ersten Mai viel früher und automatisierter angegangen, als dass der 8. März überhaupt angesprochen wurde. Erst vor einem Monat haben sich ca. 1/4 der Mitglieder zusammengefunden um diesen Redebeitrag zu schreiben – den wir übrigens als interne Diskussionsanregung nutzen wollen!Als Gewerkschaft und erst recht als basisdemokratische und anarchosyndikalistische Gewerkschaft spielen Arbeitsverhältnisse und Streiks – ob formell oder informell eine große Rolle. Bei entsprechenden Diskussionen wird auch bei uns dabei oft die unbezahlte Arbeit mit ihren weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen sowie die Möglichkeiten sie zu bestreiken weniger betont und nur nebenbei erwähnt. Das muss sich ändern!


Wo soll man anfangen, eine Rede am feministischen Kampftag zu halten? Zu sehr ist die Gesellschaft vom patriarchalen Elend durchzogen und das wird gerade während der Pandemie sichtbarer und zudem verschärft. Als FAU werfen wir einen Blick auf Geschlechterverhältnisse in Bezug auf bezahlte und unbezahlte Arbeit.Kurz gesagt wurde im Zuge der Industrialisierung die Gesellschaft in die Sphäre der Lohnarbeit und die private Sphäre aufgeteilt. Für die Lohnarbeit waren die Männer zuständig und die unbezahlten Sorge- und Reproduktionsarbeit wurde den Frauen zugeordnet. Zudem erfolgte eine Abwertung dieses Bereiches. Er wurde nicht mehr als Arbeit begriffen, sondern vielmehr als Tätigkeiten, die man aus Liebe zur Familie tat. Diese Abwertung wirkt bis heute. Cis Männer machen nicht nur signifikant weniger unbezahlte Haushaltsarbeit, sondern es werden auch Care-Berufe so schlecht bezahlt, dass das Einkommen kaum für ein gutes Leben ausreicht, ganz zu schweigen von einer lebenstauglichen und -würdigen Rente.–Vor allem dabei sind wir auf die Arbeitkraft von Menschen aus dem Ausland angewiesen. Seit Jahren übernehmen migrantische FLINT Personen einen großen Anteil der bezahlten Care-Arbeit. Sie sind ein essentieller Bestandteil des Gesundheits- und Pflegesystems, ohne die gesellschaftliche Reproduktion nicht möglich wäre! Gerade in der Corona-Pandemie wurde dies deutlicher als je zuvor. Wenn das mit einem Beifall vom Balkon gewürdigt wird, dann verkennt das die gesellschaftliche Realität. Denn davon werden wir nicht satt und können wir auch keine Miete bezahlen.


Putzen, häusliche Pflege, Kinderbetreuung und Pflegetätigkeiten in Einrichtungen, sind emotionale belastende,lebensnotwendige und  verantwortliche Tätigkeiten die unser aller Wertschätzung verdienen. Das meint zu aller erst gute Löhne und soziale Sicherheit für starke leistung!
Häufig sind es jedoch illegalisierte Frauen* ohne gültigen Aufenthaltsstatus die nur wenig bis gar keine Alternativen haben. Gerade im privaten Bereich werden diese Arbeitskräfte mit einem Hungerlohn abgespeist, haben jedoch keine Wahl und die Möglichkeit sich gewerkschaftlich zu organiseren auch nur bedingt, da ihnen immer die Abschiebung droht. Ohne gültige Papiere gibt es keinen gültigen Vertrag, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keinen Mindestlohn usw. sich zu organisieren stellt häufig eine Hürde dar, eine der vielen ist beispielsweise, dass diese Menschen durch die Illegalisierung kein offizielles Konto haben um somit ihre monatlichen Beiträge bei herkömmlichen und  bürokratischen Gewerkschaften zu zahlen. Auch Flint Personen aus dem Ausland die eine weite und kostenspielige Strecke auf sich nehmen um der Billiglohnarbeit nachkommen zu können sind häufig davon betroffen. Gerade Probleme wie sexuelle Belästigung und 7Tage wochen gehören zum Alltag der Frauen. Sich dagegen Wehren und vorzugehen bedeutet die direkte Bedrohung der Existenz dieser Menschen da ein immenses Abhängigkeitsverhältnis zu den Arbeitgeber*innen besteht. 

Was heißt das praktisch? Nicht erst seit Corona stehen FLINT-Personen in dem Widerspruch zwischen solidarisch handeln und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und gleichzeitig auf ihre unbezahlte Arbeit oder ihre Lohnarbeit unter beschissenen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Die Forderunng nach einer Care-Revolution wird in Corona-Zeiten noch drängender. Dennoch bleibt sie  öffentlich und regierungspolitisch ungesehen und rückt hinter den Wunsch nach Stabilisierung der Wirtschaft. 
um Streik zu  verhindern, werden wir an emotionalen Ketten gehalten, die zu sprengen häufig bedeutet Menschen im Stich zu lassen, die auf uns angewiesen sind. aber es gibt auch positiv-Beispiele: in Spanien legten 2018 5 Millionen Frauen die Care-Arbeit für 24 Stunden nieder. Dies wurde möglich, weil eine große kollektive Kinderbetreuung organisiert wurde. 
2013 zog zum Beispiel in Frankfurt ein Care-Mob durch die Straßen. Ausgestattet mit Besen, Klobürsten und anderen Haushaltsutensilien haben sie Reproduktionsverhältnisse deutlich sichtbar gemacht. In Spanien gab es zum Frauen*streik eine Topfschlagen-Aktion, die sehr wirkungsvoll war. Viele Frauen* haben zur gleichen Zeit, am gleichen Ort oder auch dezentral, mit ihren Kochtöpfen Lärm gemacht und damit gezeigt: Hier wird heute nicht gekocht!
Auch innerhalb der Lohnarbeit kann es möglich sein zusammen mit den „zu Betreuenden/ Begleitenden/Pflegenden“ kreative Streikformen zu entwickeln.Also lasst uns weiterhin gemeinsam auf die Straße gehen! Wenn wir uns organisieren, können wir weitere Ideen wagen, wie kollektive Überlastungsanzeigen, Dienst nach Vorschrift oder einfach mal einen Lächelstreik. 

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